Knut Gerschau

Globale Ernährungssicherheit in großer Gefahr!

Foto: Anja Pütz

Der Ukraine-Krieg führt bei uns zu bislang ungekannten Preissteigerungen für Lebensmittel. Drastische gestiegene Preise für Energie, Transport und Rohstoffe verteuern den Alltag erheblich. Die gute Nachricht: In Deutschland wird es keine Engpässe geben. Hamsterkäufe sind unangebracht. Wir haben genug Getreide und Grundnahrungsmittel für alle. Die Ampelkoalition hat aufgrund der hohen Inflation ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht und wird im Bedarfsfall nachjustieren.

In Entwicklungs- und Schwellenländern hat der Ausfall der Lieferungen von Weizen, Raps und Sonnenblumenöl allerdings katastrophale Folgen.

Getreide wird knapp und teuer. Beispiel Weizen: Russland und die Ukraine haben bislang fast 30 Prozent des weltweiten verbrauchten Weizens geliefert. Der Preis für eine Tonne ist in den letzten drei Monaten um fast 46 Prozent gestiegen. Dies führt in Gesellschaften, in denen Brot Grundnahrungsmittel und teilweise staatlich subventioniert ist, zu Instabilität. Vor allem in den Ländern Nordafrikas, im Libanon, im Iran, im Jemen und in der Sahelzone ist dies bereits schmerzhaft spürbar.

In vielen afrikanischen Ländern drohen extreme Hungerkrisen. Für internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP), die Hilfe leisten wollen, wird der Einkauf von Getreide immer teurer. Nach Angaben des WFP steigen die Kosten um etwa 70 Millionen Dollar pro Monat.

Ganz zu schweigen von der Ukraine, wo Wladimir Putin Getreidesilos plündern und für den Transport notwendige Bahnverbindungen bombardieren lässt. Es droht eine Hungerkatastrophe mitten in Europa. Zudem ist die Aussaat in der Ukraine wegen des Krieges stark gefährdet. Die Häfen am Schwarzen Meer sind blockiert, so dass eine Ausfuhr von Lebensmitteln nur noch auf dem teureren, teils zerstörten Schienenweg möglich ist.

Hinzu kommt: wegen der hohen Energiepreise wird der für die Landwirtschaft unverzichtbare Dünger immer teurer. Denn auch als Düngerproduzenten waren die Ukraine und Russland für die Welternährung wichtig, jetzt fallen die Lieferungen aus.

Die Kriegsfolgen verstärken den weltweiten Hunger, der bereits durch Klimakrisen und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie angestiegen ist. Weltweit leiden schon jetzt mehr als 800 Millionen Menschen an Hunger und Unterernährung. Allein in Westafrika könnten demnächst bald 38 Millionen Menschen hinzukommen, ein Drittel mehr als im Vorjahr. Die Folgen für die gesundheitliche Lage der Menschen, vor allem der Kinder, sind desaströs. Mögliche Konsequenzen: politische Unruhen und zunehmende Flüchtlingsbewegungen.

Dies kann uns nicht gleichgültig lassen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat deswegen bereits 430 Millionen Euro zusätzlich für die Sicherung der Ernährung in ärmeren Ländern bereitgestellt. Wir müssen internationale Organisationen, die vor Ort den Hunger bekämpfen, finanziell noch besser ausstatten. Damit Menschen, die ohne eigenes Zutun ins Elend gestürzt werden, die notwendige Unterstützung bekommen.

Wichtig ist mir darüber hinaus, dass Ernährungssicherheit ein fester Bestandteil der EU-Agrarpolitik werden muss. Der Anbau von Getreide und weiteren Lebensmitteln sollte auch in Deutschland kurzfristig ausgeweitet werden, etwa durch den Verzicht auf geplante Flächenstilllegungen. Dies bedeutet keine Abkehr von einer ökologischen Landwirtschaft, aber die dramatische Lage erfordert eine zeitweilige Neuorientierung.

Wir brauchen auch eine Abkehr von Denkverboten bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Diese können mehr Nährstoffe liefern, sind resistenter gegenüber Insekten und Viren und können sich womöglich besser an veränderte klimatische Bedingungen anpassen. Einen Beweis für gesundheitliche Schäden durch diese Lebensmittel sind die Kritiker bislang schuldig geblieben.

Deutschland sollte im Interesse der Betroffenen ebenso wie im eigenen Interesse alles tun, um weiteren Hungersnöten entgegenzuwirken und gesellschaftliche Zusammenbrüche zu vermeiden.