Knut Gerschau

Neues Einwanderungsrecht für mehr Fachkräfte

Wenn Sie zurzeit lange auf Handwerker warten müssen, sind Sie nicht allein. Deutschland steht vor einem wachsenden Problem: dem Fachkräftemangel. Über zwei Millionen offene Stellen meldet die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Eine Umfrage der DIHK von 2022 ergab, dass 53 Prozent von 22 000 befragten Unternehmen offene Stellen nicht längerfristig besetzen konnten. Im Jahr davor waren es noch 51 Prozent. Handwerker fehlen ebenso wie Pflegerinnen und Pfleger oder IT-Fachleute. Der Mangel gefährdet die deutsche Wirtschaft ebenso wie den Erfolg politischer Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung, Ausbau von Bahnstrecken oder der Energiewende. Wenn Deutschland seinen Wohlstand erhalten möchte, braucht es Fachkräfte und Arbeitskräfte aus dem Ausland.

Die alternde Bevölkerung und ein zunehmender Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in verschiedenen Sektoren führen zu Engpässen auf dem Arbeitsmarkt. Die Ampelkoalition will angesichts dieses Fachkräftemangels das Land für Qualifizierte aus dem Ausland mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) weiter öffnen. Ziel dabei ist: geordnete Migration in den Arbeitsmarkt und weniger unkontrollierte Einwanderung in die Sozialsysteme. Ein Punktesystem nach Vorbild erfolgreicher Einwanderungsländer wie Australien oder Kanada soll Einwanderung von talentierten Fachkräften schnell und unkompliziert gestalten. Wer mindestens sechs von zehn Kriterien erfüllt, bekommt ein Visum. Und auch die Visabearbeitung soll beschleunigt werden, nämlich durch Digitalisierung.

Obwohl Deutschland im internationalen Vergleich ein liberales Einwanderungsrecht für Qualifizierte hat, beträgt die Zahl der zugewanderten Fachkräfte von außerhalb der EU deutlich unter 100 000 Menschen im Jahr. Das liegt unter anderem an den hohen Einwanderungsauflagen. Wer beispielsweise Akademiker war, braucht eine Anerkennung des Abschlusses und ein Stellenagebot im Land, um einwandern zu dürfen. Dies erschwert beispielsweise auch die Aufenthaltsgenehmigung von Flüchtlingen. Bürokratische Anforderungen schrecken ab. Das FEG beschleunigt nicht nur die Berufsanerkennung und gleicht Stärken und Schwächen durch das Punktesystem aus, sondern fördert auch die Erwerbsbeteiligung von Migranten.

Mit einem Zuwachs von Fachkräften in einem Land geht jedoch ein Rückgang in einem anderen einher. Insbesondere für afrikanische Länder ist der sogenannte Brain-Drain, also der Verlust hochqualifizierter Fachkräfte, ein bedeutendes Problem. Schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Bezahlung in Entwicklungs- und Schwellenländern führen zu einer hohen Migrationsquote. In einer Studie der BBC gaben 52 Prozent der dort Befragten zwischen 18 und 24 Jahren an, dass sie über ein Auswandern innerhalb der nächsten Jahre nachdenken. Sie wollen bessere Karrierechancen, höhere Gehälter und eine stabilere wirtschaftliche Lage.

Um beiden Problemen entgegenzuwirken, sollen mehr junge Menschen in Afrika eine berufliche Grundausbildung gepaart mit Deutschunterricht erhalten. Dieser muss attraktiv gestaltet und bezahlbar sein. Deutschland hat als größtes Geberland in Europa ein vitales Interesse an einem hohen Bildungsstand und einer florierenden Wirtschaft in Afrika, da geringe Bildung zu Armut führt und Armut zu Flucht. Bildung ist somit auch Bekämpfung von Fluchtursachen. Afrika bietet als Kontinent mit dem größten Bevölkerungswachstum große Chancen für den Arbeitsmarkt der Zukunft. Gleichzeitig soll der Abbau von Sprachbarrieren den Übergang in den deutschen Arbeitsmarkt fördern. Somit profitieren alle Beteiligten.

Die Debatte um den Fachkräftemangel und das FEG sind laufende Prozesse. Doch eines steht fest, wir brauchen qualifizierte Fachkräfte und wollen fleißige Menschen, die in unser Land kommen! Eine integrative Migrationspolitik und enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Fachkräfte wird zur Bewältigung des Problems beitragen. Dann müssen Sie hoffentlich nicht mehr lange auf Handwerker warten. Und Pflegepersonal und IT-Fachleute gibt es sogar auch.