Knut Gerschau

Zwischenbericht Enquetekommission Afghanistan benennt Probleme

Foto: Stefan Trocha Photography

Seit anderthalb Jahren bin ich Mitglied der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“. In diesem Gremium finden 12 Abgeordnete und 12 externe Sachverständige wie Wissenschaftler und Teilnehmer der Afghanistan-Mission zusammen. Das Ziel: Lehren aus dem deutschen Engagement für die künftige Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zu ziehen. Wir wollen dadurch den „vernetzten Ansatz“ weiterentwickeln und optimieren. Nunmehr wird der Zwischenbericht veröffentlicht und am 22. Februar im Deutschen Bundestag debattiert.

Im Laufe der Sitzungen haben sich eine Reihe von ersten Erkenntnissen für mich ergeben:

Unterschiedliche Interessen der am Einsatz beteiligten Nationen. Die Bundesregierung wollte in erster Linie der Bevölkerung helfen, während die USA militärisch siegen wollten. Wir wollten primär die Lebensverhältnisse vor Ort verbessern und darüber die Situation vor Ort stabilisieren. Rückblickend sollten die Motive und Ziele eines Auslandseinsatzes der Bundeswehr von Anfang an ehrlich und offen bestimmt und kommuniziert werden.

Unzureichende Kommunikation zwischen den beteiligten Ressorts. Beteiligt waren das Verteidigungsministerium, das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium. Es fanden keine strategischen Diskussionen statt. Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit waren nicht strikt getrennt. Auch war die Umsetzung der Mittel nicht klar zugewiesen. Dies führte zu Doppelstrukturen, zu unnötigen Reibereien und Rivalitäten.

Die Bundeswehr hat in Afghanistan Aufgaben übernommen, die nicht zu ihrem eigentlichen Auftrag passen. Dazu gehörte die Errichtung von Schulen und das Bauen von Brunnen. Durch eine fehlende Abgrenzung zur Arbeit von Nichtregierungsorganisationen gerieten deren Mitarbeiter teilweise in Gefahr. Vertrauen wurde beeinträchtigt. Diese diffuse Aufgabenstellung müssen wir bei zukünftigen Einsätzen vermeiden.

Schließlich haben wir die afghanische Bevölkerung nicht ausreichend studiert und ihnen bei der Gestaltung von Vorhaben nicht genug zugehört. Wir hätten von Anfang an dafür sorgen müssen, dass die lokale Bevölkerung Projekte langfristig eigenständig übernehmen kann. Auch hätten wir uns nicht so stark auf Kabul und einige wenige größere Städte konzentrieren, sondern die ländlichen Gebiete mehr in den Blick nehmen müssen.

Die Konsequenzen aus den Gesprächen in der Enquete-Kommission sind für mich:

In der Praxis haben bescheidene, lokal eingebettete Projekte mit unmittelbarem, greifbarem Nutzen für die Bevölkerung am besten funktioniert. Projekte, die Grundleistungen erbringen, flexibel und nachfrageorientiert. Projekte, die von einem personalstarken Team umgesetzt werden, das enge Kontakte zur lokalen Bevölkerung unterhält. Sie sind effektiver als dem Lan überstülpte Großprojekte, welche umfangreiche Investitionen beinhalten oder auf strukturellen Wandel abzielen. Es ist langfristig erfolgversprechender, regionale Wasserversorgung und Bildung zu fördern, als eine komplette Verwaltung reformieren zu wollen.

Wir müssen den Menschen vor Ort bei künftigen Einsätzen besser zuhören, auf ihre konkreten Bedürfnisse eingehen und nicht darauf drängen, unsere Vorstellungen durchzusetzen.

Und schließlich benötigen wir eine offene und ehrliche Fehlerkultur. Fehler wurden nicht klar kommuniziert und keine Konsequenzen daraus gezogen. Misserfolge wurden unter den Teppich gekehrt, es erfolgen keine Anpassungen. Auch ein Scheitern muss manchmal eingestanden werden, damit aus Fehlern gelernt wird, vor allem in einer derart komplexen Umgebung.

In der folgenden Phase der Kommission wollen wir konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln, damit künftige Auslandseinsätze Deutschlands effektiver, resistenter und auch im entwicklungspolitischen Sinn nachhaltiger werden. Ich freue mich darauf, denn die Aufgabe in der Enquete-Kommission ist anspruchsvoll, vielseitig und weitet den Blick darauf, wie ein „vernetzter Ansatz“ zum Nutzen der Bevölkerung zum Erfolg gebracht werden kann.